Unique

 

Unique (Der Einzigartige od Schnutz)      w/Br./2008/CH        

 

 
Als Faclon im November 2024 ganz unerwartet verstarb, stand Lou plötzlich alleine mit den zwei Ponies im Etzliberg. Im ersten Moment schien es ok für ihn zu sein. Er, der die Ponies sonst eher links liegen liess, näherte sich ihnen an. Und auch die zwei Zwerge waren ihm gegenüber ganz aufgeschlossen.
Die Trauer um Falcon und all die Anderen war unendlich gross. Es waren sehr viel Abschiede in relativ kurzer Zeit. Ich war froh, musste ich mir nicht sofort Gedanken machen, wie es denn im Etzliberg weiter gehen soll. Sollen wieder neue Tiere in Not bei mir einziehen? Kaufe ich einfach ein Pferd, oder ist es an der Zeit die Bewohner "ausgehen zu lassen", so dass irgendwann Schluss ist?
Nach ein paar Wochen wurde Lou immer apathischer. Es war für das ganze Etzliberg-Team klar: So kann es nicht weitergehen für Lou. So ist er nicht mehr glücklich.
Also erzählte ich ein paar Leuten, dass ich auf der Suche nach einem Pferd sei was zu Lou passt. Ev. ein ausrangierter Sportler, oder ein Pferd was verletzungsbedingt wegmuss. Einfach ein Freund für Lou, denn mein Herz war sowieso nicht bereit mich so richtig auf ein neues Tier einzulassen.
Gleich zwei Personen gaben mir an, dass in der Linthebene eine junge Springreiterin für ihr ehemaliges Springpferd scho länger einen guten Platz suchen würde. Ich rief sie an. Sie erzählte mir, dass der 16 jährige Unique einen Hufbeinbruch erlitt und aus dem Grund nicht mehr zurück in den Sport soll. Dass sie wirklich Ausschau nach einem passenden Lebensplatz für ihn halte, dass sie ihn aber nicht einfach irgendwohin geben würde. Es muss passen, sonst geht er nicht weg. Das waren ihre Worte.
Wir telefonierten eine Weile und ich glaube, die Sympathie war gegenseitig vorhanden. Also fuhr ich zu ihr um Unique kennenzulernen. Auf dem Hof angekommen suchte ich nach Fränzi. Lief an ein paar Pferden die den Kopf aus der Boxe streckten vorbei und blieb kurz bei einem stehen. Wir sahen uns an und ich sagte zu ihm: Also DICH würde ich vom Fleck weg mitnehmen. Aber Du bist es nicht. Du bist zu klein. Fränzi sprach von einem grossen, stattlichen Kerl. Fränzi war auf dem Viereck. Also ging ich zu ihr. Sie meinte: Ah, Du hast Unique ja schon begrüsst. Gefällt er Dir?
Was hab ich??? Wer, wo, wen???
Das war Unique mit dem ich kurz gesprochen habe? Neben ihm in der Boxe stehend war er dann doch grösser. Ich putze und sattelte ihn und dann wollte Fränzi dass ich ihn gleich selber reite, denn sie hatte vor kurzem noch eine Knie OP. Puh, das kam mir alles etwas komisch vor. Auch wenn ich weiss, dass das normalerweise so läuft. Aber ich habe mir doch nie ein Pferd gesucht, sondern die sind immer irgendwie bei mir gelandet.
Nun gut. Ich hatte Arbeitshosen und Stallschuhe an. Unique hatte logischerweise einen Springsattel. Ich bin die letzten 15 Jahre wenig, bis selten auf einem Pferd gesessen. Aber ok. Dann mach ich mich eben zum Horst ;-) Oh jaaa. DAAAAS machte ich wirklich! :-)
Unique machte alles brav mit. War etwas anstrengend zu reiten und sein trab verdammt unbequem. Aber ich merkte sofort, dass er korrekt am Sitzt zu reiten war. Wenn ich denn nur hätte vernünftig auf dem Pferd sitzen können.
Ich ging noch eine kurze Runde mit ihm ausreiten. Begegnete 20 Velosenioren auf einer Tour, einem Milchtank LKW und einem Traktor mit riiesen Anhänger der klapperte. Ich sass auf einem Pferd was ich nicht kannte, in einem Gebiet was mir fremd war und eine Gefahr nach der Anderen kam auf uns zu. Ich zweifelte kurzzeitig sogar an meinem Verstand. Was mache ich da eigentlich???
Ich hatte echt das Gefühl als ob Unique mit mir sprach und sagte: Hei Du da oben. Was ist Dein Problem? Lass uns mal weiterlaufen. Ich pass schon auf uns beide auf.
Und genau das tat er. Ich fühlte mich plötzlich pudelwohl und ganz vertraut mit ihm. Filmte sogar noch kurz seine Öhrchen und die Umgebung und machte Andrea eine Sprachnachricht. Unique hatte mich im Sack.
Ich wollte eine Nacht darüber schlafen und mich wieder melden. Der Kerl hat es mir sowas von angetan.
Doch wie meistens kommt es anders als man denkt und plant.
Am selben Abend ein Notruf. Besitzerin am Ende mit den Kräften. Sie hat 3 Pferde, ist gesundheitlich angeschlagen und möchte nach Costa Rica auswanden. 2 Pferde will sie mitnehmen, doch der Dritte sei ein traumatisiertes Pferd, was sich nicht mal verladen lassen würde und generell sehr misstrauisch sei. Sie sprach davon, dass sie ihn einschläfern lassen müsste, denn für so ein Pferd sei es nicht einfach einen Platz zu finden. Geritten wurde er auch schon Jahre nicht mehr.
So und was jetzt? Unique sitzt bereits in meinem Herz. Aber er hat eine tolle Besitzerin. Die wird ihn ganz sicher nicht schlachten. Die Auswanderin hingegen sitzt in der Klemme und das Pferd braucht Hilfe. Da schlägt das Tierschützer-Herz dann doch stärker in mir. Also sagte ich bei Unique ab und dem "Trauma-Pferd" zu. Zum Glück wäre der Gute nicht all zu weit weg gewesen, so dass er zur Not zu Fuss hätte zu uns kommen können. Mir war wichtig, dass er so bald wie möglich kommt. Eben damit Lou nicht länger so alleine ist. Die Auswanderin war aber mit ihrer Beruflichen und persönlichen Situation ziemlich überfordert.
Mir war klar, dass sie in einer sehr schwierigen Situation steckte. Mir war aber auch klar, dass ich meine Verantwortung meinem 25 jährigen Lou gegenüber wahrnehmen musste. Das ER jetzt an erster Stelle zu stehen hatte für mich. Nach unzähligen, teils sehr emotionalen Telefongesprächen und der Aussage der Besitzerin, dass sie doch noch ein paar Wochen Zeit brauche entschloss ich mich Fränzi anzurufen und zu fragen, ob sie mir Unique noch geben würde. Zur Not, hätte ich ja auch in ein paar Wochen, noch immer platz für das traumatisierte Pferd. Fränzi war sichtlich erstaunt. Lenkte aber ein. Kam am nächsten Morgen mit ihrer Mutter zu uns in den Etzliberg, denn sie wollten den Stall noch live anschauen kommen.
Mutter und Tochter brauchten einen Moment Zeit für sich. Dann kamen sie zu mir in die Futterkammer und meinten: Martina, wir würden Dir Unique anvertrauen. Bei Dir hat er es gut. Du kannst ihm das bieten was er braucht. Sie bräuchten allerdings auch noch ein paar Tage Zeit um Abschied zu nehmen. Ich könne aber gerne auch noch bei ihnen vorbei kommen um ihn etwas besser kennenzulernen. Sie würden ihn mir dann sogar bringen.
Ich ging vorbei. Machte etwas Freiarbeit auf dem Longierplatz mit ihm. Schaute ob einer meiner Sättel für's Erste mal gehen würde usw. Ja und dann war es soweit.
Der Einzigartige wurde mir von Fränzi und Gabi gebracht. Ganz gelassen stieg er aus dem Hänger, schaute sich um und Fränzi meinte: Der versteht die Welt nicht. Er sucht den Turnierplatz und die Sprünge. :-)
Er und Lou beschnupperten sich über den Zaun. Dann liess ich Lou auf die Weide raus. Es war klirrend kalt.
Unique konnte so den ganzen Auslauf und Stall erst mal erkunden. Doch schnell stand er vor dem Tor zur Weide und schaute neidisch zu Lou. Fränzi meinte: Der möchte jetzt gerne die Weide vermessen gehen ;-) Also machten wir auf. Er rannte zu Lou. Nix Weide vermessen. Lou war spannender ;-) Es quitschte ein paar mal. Und dann liefen die beiden nur noch Seite an Seite. Und mir viel ein Stein vom Herzen, dass die beiden so gut zusammenpassten und Lou sichtbar wieder happy war.
Wie viel Glück ich mit Unique hatte und habe wurde mir erst in den kommenden Tagen bewusst. Ein so unkompliziertes, freundliches Pferd hatte ich noch nie. Und mit Pferden die mit Druck nicht umgehen können und vor allem wollen, kenne ich mich aus. Das ist kein Problem für mich. Nicht nur Unique, auch ich genoss die Ausritte durch den Wald. Wir sind wahnsinnig schnell zusammengewachsen. Das hätte ich vorher nicht für möglich gehalten. Erst recht nicht, nach dem Abschied von Falcon, der mir ziemlich das Herz brach.
Ich hoffe, wie werden noch gaaaaanz viele gemeinsame Jahre durch den Wald streifen können. Egal ob geritten oder er neben mir als Rollstuhl-Begleitpferd. Das macht er nämlich schon super mit. Er ist und bleibt mein einzigartiger Schnutz in den ich mich täglich neu verlieben kann.
Danke Fränzi und Gabi, dass ihr ihn mir anvertraut habt und auch Danke für die inzwischen entstandene Freundschaft! Unique wird immer unser Junge bleiben...